Das Schicksal hat viele Gesichter
Das Schicksal hat viele Gesichter |
Am späten Abend des Todestages sass ich wie in Trance an Mutters Stubentisch. Ich versuchte, in einem unbeschreiblichen Gefühlschaos und übermüdet von den vielen schmerzlichen Eindrücken dieses denkwürdigen Tages, ein paar schlichte Worte für die Beileidskarten zu entwerfen. Zwei, drei Sätze nur, so wie sie von Mutter akzeptiert worden wären und aus denen nicht hervorgehen sollte, von welch grosser Tragik ihr langes Leben gezeichnet war. Es waren einzigartige 97 Jahre, reich an Liebe und beispielhaft an Mut und Hoffnung, ein Leben, welches nicht so ruhig und friedvoll verlaufen war, wie ihr Tod. Das Schicksal hatte Mutter unzählige harte, darunter auch kaum zu ertragende Prüfungen auferlegt, welche sie, durch die Kraft ihres grenzenlosen Vertrauens in das Leben und mit ihrem unbeirrbaren Optimismus, tapfer durchlebte und bis ins hohe Alter mit Würde ertragen hatte. Dieses Leben
erlosch nun in andächtiger Stille und mit ihm ein starker, wunderbarer Mensch: unsere Mutter.